Archiv der Kategorie: Geschichte und Geschichten

Ken ‚Snakehips‘ Johnson

Café de Paris

Heute vor 81 Jahren, am 8.März 1941, lief Ken ‚Snakehips‘ Johnson durch die verdunkelten Straßen des Londoner West-End, um noch rechtzeitig zu seinem Auftritt im angesagten „Cafe de Paris“ zu kommen, während Luftschutzsirenen heulten und der Rest der Stadt sich auf einen weiteren deutschen Bombenangriff vorbereitete.
Ken und seine Band, das „West Indian Orchestra“ waren seit 2 Jahren Hausband in dem Club, der sich rühmte „der sicherste Club der Stadt“ zu sein. Befand sich doch das „Cafe de Paris“ in einem tiefen Keller unterhalb eines Kinos in der Coventry Street.

Ken Johnson kam 1910 in Britisch Guyana zur Welt. Als Kind lernte er Geige spielen und zu tanzen. Sein Vater, ein Arzt, war allerings nicht sehr angetan davon. Er schickte ihn mit 19 nach England auf ein Internat.
Nach der Schule begann Ken ein Jurastudium, was er aber abbrach, um als Tänzer zu arbeiten. Mit der Tanztruppe von Buddy Bradley tourte er durch die Karibik und landete schließlich in Harlem, New York. Unter dem Einfluß von Tanzgrößen wie Bill „Bojangles“ Robinson feilte er an seinem Tanzstil, der ihm später seinen Spitznamen „Snakehips“ einbrachte.
Er arbeitete mit Fletcher Henderson und seinem Orchester, der ihn unterstützte und den Rat gab, eine eigene Tanzband zu gründen.

1936 kehrte Ken Johnson nach England zurück.
Die englischen Tanzbands der Zeit waren zwar „technisch brilliant, aber es fehlte der ‚Swing‘ der Afro-Amerikanischen Bands“, so der Historiker Val Wimer. „Snakehips“ Johnson sollte das ändern. Er gründete mit dem Trompeter Leslie Thompson die „Aristocrats“, mit ausschließlich schwarzen Musikern meist aus der Karibik.
Thompson war treibende musikalische Kraft hinter den Bestrebungen „zu klingen wie Jimmie Lunceford oder Ellington“, so Thompson selbst, Johnson war für die Bühnenshow verantwortlich.
Das Orchester war bald bekannt für seinen ‚Swing‘ und sie tourten durch ganz England.

1937 trennten sich Johnson und Thompson – und einige der Musiker – nach einem Disput. Johnson füllte die Lücken mit Musikern aus Trinidad und sie nannten sich „The West Indian Orchestra“. Sie waren Hausband in verschiedenen Clubs in London; die BBC machte mehrere Sendungen mit ihnen.
Da passte es, daß das „Cafe de Paris“ in dem das „West Indian Orchestra“ ab 1939 residierte, mit einer Anlage zur Liveübertragung ausgestattet war.

An jenem Abend am 8.März 1941 sollte die Band ihr erstes Set um 21:45 beginnen. Zeitgleich setzte der Bombenhagel ein.
Zwei 50kg Bomben fielen auf das Kino über dem Lokal. Durch einen tragischen Zufall traf eine davon einen Lüftungsschacht, fiel bis in den Keller und detonierte hinter der Bühne.
Mindestens 35 Menschen starben an dem Abend, darunter ‚Snakehips‘ selbst und der Großteil seines Orchesters. Mehr als 80 Menschen wurden verletzt.

Der Einfluß

England verlor mit dem „West Indian Orchestra“ ihre angesagteste Swing Band der Zeit. Vor allem waren sie die eine der ersten englischen Bands mit hauptsächlich schwarzen Musikern. Nach dem Tod Johnsons zerstreuten sich die übriggebliebenen Bandmitglieder und wurden von Ensembles engagiert die bis dahin ausschließlich weiß waren.

Johnson’s was neither the first black British band nor the first all-black ensemble to appear in Britain. He played some excellent musical arrangements, but as these owed strict allegiance to prevailing American principles and style, his significance in maintaining the first established black British band was social as much as musical.
Wikipedia

Das BBC beschäftigte sich in „Swinging in the Blitz“ mit der Geschichte von Ken Johnson und „The West Indian Orchestra“.

Cafe de Paris schloß seine Tore endgültig im Dezember 2020, ein weiteres Opfer der Covid-19 Pandemie.

Der Roman „Moon Over Soho“ von Ben Aaronovitch macht die Ereignisse vom 8.März 1941 zum Kernthema.

Quellen:
BBC: Black Music in Europe: A Hidden History
Wikepedia
BBC zum 75. Todestag
West End At War

The Story of „Hello, Dolly!“ & Buchtipp

Heute vor 58 Jahren begab sich Louis Armstrong nach 2 Jahren Pause wieder ins Aufnahmestudio. Dort haute er mal schnell zwei Stücke raus – eins davon war eine Nummer aus einem Broadway-Musical, dessen Premiere noch ausstand – und verschwand wieder zu seinem nächtlichen Auftritt mit seinen All Stars.

Sechs Monate später schoss dieses Stück an die Spitze der Charts und schaffte es – zum ersten Mal seit 14 Wochen – die Beatles von Platz 1 zu verdrängen.

Das ist die Kurzfassung der Geschichte von „Hello, Dolly!“.

Die ausführliche Fassung, mit vielen Hintergrundinformationen findet Ihr hier:

Für alle, die sich noch etwas umfangreicher mit dem Leben von Louis Armstrong beschäftigen möchten, haben wir hier noch eine Buchempfehlung für euch:
Die Biografie „Black and Blue“ ist erst dieses Jahr erschienen und gibt tiefgründige wie auch spannende Einblicke in das Leben und die Karriere von Louis „Satchmo“ Armstrong.
Das Besondere an dieser Bio ist, dass sie inklusive einer prall gefüllten Link-Liste zu den im Buch besprochenen Aufnahmen und Filmausschnitten geliefert wird.

So könnt Ihr noch intensiver in die Geschichte von Louis Armstrong und seiner Musik eintauchen.

Erschienen ist „Black and Blue“ im Reclam Verlag:
https://www.reclam.de/detail/978-3-15-011323-3/Knauer__Wolfram/Black_and_Blue
ISBN 978-3-15-011323-3

Podcast Empfehlung: „On Music“ von BBC Radio 4 – „The Armstrong Tapes“

Und wieder eine Empfehlung für eine Entdeckung im Fundus der BBC.

Wie ich schon in den anderen Beiträgen geschrieben hatte, das Programm der BBC bietet eine tolle Mischung von Pocasts, nicht nur über Musik.

Heute geht es um eine weitere Folge aus der Serie „On Music“ von BBC 4, über die vergessenen Schätze des Musikarchivs. Die Folge, die ich Euch diesmal nahelegen möchte, heißt „The Armstrong Tapes“.

Was ich bis dahin nicht wußte: Louis Armstrong war ein Technik-Fan und eines seiner Lieblings-Spielzeuge war ein tragbares Tonbandgerät – damals technisch absolutes High-End. Dieses Tonbandgerät nahm er überall mit, vor allen auf seine Tourneen, und nahm wirklich alles auf: Seine Warm-Ups auf der Trompete, die Nachrichten aus dem Radio, sich und seine Mitmusiker beim abendlichen Bier im Hotelzimmer. Dabei wurde es auch mal deftig (was im amerikanischen Radio dann „überpiepst“ wird).
Diese Aufnahmen bieten einen ganz neuen, intimen Blick auf den Menschen Louis Armstrong, der flucht, sich mit seiner Frau streitet, über andere Musiker lästert oder einfach Mal miese Laune hat.

Die Jazz-Historikerin Helen Mayhew zeigt uns hier, wie sich Louis Armstrong durch seine Bandaufnahmen präsentiert.

Aber hört es Euch hier einfach selbst an!



Quellen:
https://www.chicagotribune.com/news/ct-xpm-2001-08-05-0108050407-story.html
Ein Bild von Louis mit seinem Tonbandgerät : https://virtualexhibits.louisarmstronghouse.org/2020/04/05/eulogizing-the-chops-louis-armstrong-warms-up/
Weitere Bilder in der virtuellen Ausstellung des „Louis-Armstrong House“ Museums: https://virtualexhibits.louisarmstronghouse.org/

https://pixabay.com/images/id-63212/

The Original Lindy Hoppers – Vol. 2: George „Shorty“ Snowden

Eigentlich sollte George Snowdens Tanzkarriere mit 16 Jahren schon zu Ende sein. Er hatte sich beim Schlittschuhlaufen beide Knöchel gebrochen. Auch sonst waren seine jungen Jahre auf den Straßen New Yorks nicht einfach. Am 4.Juli 1904 in Manhattan geboren, zogen er und seine Mutter 1910 nach Harlem, wo er lange Zeit mit den „Jolly Fellows“ – einer Straßengang, die aber auch eine eigene Tanztruppe hatte – die Gegend unsicher machte und erst langsam begann, „anständig“ zu werden.

Er lernte Speditionskaufmann, kurierte beharrlich seine Verletzungen aus und wurde einer der schnellsten Charleston Tänzer der Gegend. Zusammen mit seiner damaligen Partnerin Mattie Purnell nahm er – mit Unterstützung der „Jolly Fellows“ – am „Harlem Dance Marathon“ teil, der im Juli 1928 im Madison Square Garden stattfand. Dort sollten die beiden dann Tanzgeschichte schreiben.

Wohl aus beginnender Erschöpfung verlor George den Kontakt zu Mattie, doch schnell fanden sie sich wieder und versteckten den „Faux Pas“ hinter ein paar fancy moves. Das Publikum war begeistert. Beim nächsten „Breakaway“ lief es besser und bald mischten die beiden traditionelle Tanzfiguren mit Solo-Jazz Schritten – immer mit einer Hand verbunden. Ein Reporter, der die beiden beobachtete, fragte sie, „Was macht Ihr da?“ Snowden rief zurück, „Hop…den Lindy Hop!“ (Kurz zuvor hatte Lindbergh den Atlantik überquert).
Der „Lindy Hop“ war geboren.(*)

Wenig später gründete George seine eigene Tanztruppe, die „Shorty Snowden Dancers“, die auch in dem Kurzfilm „After Seben“ zu sehen ist:

Kurz darauf stieß George „Twistmouth“ Gannaway dazu – er war es, der 1934 die damals 14-jährige Norma Miller ins Savoy schmuggelte.

Der Savoy Ballroom war seit seiner Eröffnung 1927 das Mekka der Lindy Hopper und „Shorty“ George Snowden war lange Zeit DER Top-Tänzer dort. Gerade mal 1,50m groß, machte er aus der Not eine Tugend und nahm sich beim Tanzen zuweil selbst auf die Schippe. Sein Markenzeichen wurde der „Shorty George“, wo er sich – mit übertrieben gebeugten Knien watschelnd – noch kleiner machte als er schon war. Er und seine neue Partnerin Big Bea – annähernd zwei Meter groß – boten ein aberwitziges Bild:

Frankie Manning wurde durch dieses Duo zu der Idee des ersten „Air Steps“ gebracht und löste Mitte der 1930er „Shorty“ George als „König des Savoy“ ab.

Mitte der 1940er musste George das professionelle Tanzen aufgeben – seine Knie und Füße waren buchstäblich „zu Klump“ getanzt.
Man konnte ihn aber bis in die 1950er ab und zu noch bei Social Dance Events sehen.

Im Mai 1982 erlag „Shorty“ George Snowden einem Lungenemphysem.

(*) Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte ist umstritten. Trotzdem bleibt es – ein schöne Geschichte…

Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/George_Snowden
http://jassdancer.blogspot.com/2012/10/shorty-george-snowden.html
https://authenticjazzdance.wordpress.com/2012/07/04/the-creators-of-the-lindy-hop-george-shorty-snowden-and-mattie-purnell/
http://www.savoystyle.com/shorty_george.html

The Original Lindy Hoppers – Vol. 1: Al Minns

Al Minns war einer der berühmtesten original Lindy Hopper des Savoy Ballroom der 1930er und 1940er Jahre in New York. Dort wurde er berühmt durch seine unglaubliche Kreativität, Flexibilität und Energie. Er war das jüngste Mitglied der legendären „Whitey’s Lindy Hoppers„, eine Gruppierung der besten Lindy Hopper des Savoy, welche mit atemberaubenden Shows die ganze Welt bereisten und in Staunen versetzten.
Auch war er Teil der wohl bekanntesten Lindy Hop Film-Szene aller Zeiten in „Hellzapoppin‘“ – Al erkennt ihr an dem weißen Blazer (ab Min. 3:34):

The King of „Squat Charleston“
Al war auch ein unglaublicher Solo Jazz Tänzer. Er gilt als der König des Squat Charleston, den keiner so cool und lässig tanzte wie er (0:10):

Al Minns‘ „Partner in Crime“ war Leon James, mit dem er oft gemeinsam auftrat. Die beiden kreierten beispielsweise eine eigene Version des Shim Sham, den „Al and Leon Shim Sham“. Hier zeigen die tollen Harlem Hot Shots aus Schweden Al und Leons Version:


Al und die Schweden
Eine Gruppe ambitionierter schwedischer Tänzer holten Al in den 1980er Jahren in ein kleines schwedisches Dorf zwei Stunden von Stockholm entfernt, um von ihm unterrichtet zu werden. Dieses kleine Dorf trägt den Namen „Herräng“ und Als Besuch kann wohl als der Anfang des legendären „Herräng Dance Camp“ gewertet werden, welches bis heute stattfindet (psssst: hier gibt’s einen Blog-Post von Michaela über Herräng 😉 ). Später folgten auch Frankie Manning und Norma Miller – beide ebenfalls Mitglieder von „Whitey’s Lindy Hoppers“ – der Einladung nach Schweden und waren dort für viele Jahre regelmäßig als Trainer zu Gast.

Während der 50er und 60er Jahre trat Al in diversen TV-Shows auf, um Lindy Hop, Charleston als auch Authentic Jazz Dance der Welt zu präsentieren und diese großartigen Swingtänze nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Al starb 1985 im Alter von 65 Jahren in Queens, New York.

Quellen:
https://www.jaminjackson.com/who-is-al-minns/
https://en.wikipedia.org/wiki/Whitey%27s_Lindy_Hoppers
https://www.streetswing.com/histmai2/d2aminn1.htm

https://en.wikipedia.org/wiki/Al_Minns

Podcast-Empfehlung: „Soul Music“ von BBC Radio 4

Der britische Rundfunk war schon immer eine Quelle außergewöhnlicher Produktionen. Ich erinnere nur an „Monty Python’s Flying Circus“, „The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy“ oder „Dr. Who“.

Das lag wohl daran, dass der BBC als staatliche Rundfunkanstalt es sich leisten konnte, ein paar unbekannten Künstlern Sendezeit einzuräumen, ohne genau zu wissen, WAS sie eigentlich vorhaben. Das Motto war: „Lass uns doch einfach mal abwarten, was passiert“.

Ein bisschen klingt das nach, wenn man sich durch das Podcastangebot des BBC wühlt. Es ist alles geboten: von der Geschichte des Fitnesstrainings über Reiseberichte (ich empfehle „Palin travels“!) bis zu Gartentipps und – Musik. Vor allem BBC Radio 4 hat eine große Auswahl von Podcasts mit und über Musik.

Ich möchte Euch hier einen Podcast vorstellen, der mich besonders berührt hat: „Soul Music“.

Der Titel sagt es schon, es geht um Musikstücke, die einen bestimmten Punkt in der Seele treffen und zum Schwingen bringen. Du lachst, du weinst, manchmal auch beides. Aber immer sind es musikalische Kostbarkeiten, die sich in Dir ausbreiten und einfach ein gutes Gefühl hinterlassen.

Die Folge, die ich Euch hier vorstellen möchte, heißt „Mack the Knife“, die Geschichte des Liedes und des Theaterstücks „Die Dreigroschenoper“ von Bert Brecht, dessen bekanntestes Stück „Die Moritat von Mackie Messer“ – so der Originaltitel – ist. Und die Geschichte des Mannes, der es komponierte: Kurt Weil.

Wer es noch nicht wusste: Die Ehefrau von Kurt Weil, Lotte Lenya, war eine bekannte Sängerin und Schauspielerin. Sie hat das bekannteste Lied ihres Mannes auch selbst gesungen, unter anderem mit Louis Armstrong. Und Louis Armstrong hat ihr in seiner Version von „Mack the Knife“ ein Denkmal gesetzt:

„Suky Tawdry, Jenny Diver
Lotte Lenya, sweet Lucy Brown
Yes, the line forms on the right, dears
Now that Mackheath’s back in town“

Aber hört es Euch einfach selbst an:
BBC 4 – Mack the Knife

Alle Folgen des Podcasts findet Ihr hier.

Die dunklen Jahre des Lindy Hop

„It’s the End Of The World As we Know it“

Als die Tänzer und Musiker aus den Tanzsälen von Harlem und anderswo nach Ende des zweiten Weltkrieges aus ihren unterschiedlichen Einsatzgebieten in die USA zurückkehrten fanden sie eine andere Welt vor. Auch die Musik hatte sich verändert.

Bigbands mussten sich aufgrund fehlender Engagements und wegen des eklatanten Mangels an Musikern auflösen. Die, die zuhause geblieben waren, trafen sich nach ihren Gigs in kleinen Kneipen und spielten sich ihren Frust von den Seele: schnell und hart. Musik, nicht zum Tanzen, sondern zum zuhören. Nicht für Tänzer, sondern von Musikern für Musiker. Von der Öffentlichkeit unbemerkt, weil die vier großen Plattenlabels seit 1942 durch die Musikergewerkschaft bestreikt wurden („recording ban“), entwickelte sich eine neue Richtung im Jazz: der Bebop war geboren.

Die Tänzer aus dem „Savoy“, dem „Apollo“ oder „Renaissance“ hatten sich in alle Winde zerstreut.

Norma Miller, die 1932 mit 12 Jahren zum ersten Mal im Savoy Ballroom tanzen durfte, ist 10 Jahre später bei den Whitey’s Lindy Hoppers aufgenommen worden, allerdings wurde die Truppe kurz darauf aufgelöst. Norma begann als Produzentin für Small’s Paradise zu arbeiten, ein Nachtclub in Harlem. Sie gründete u.a. die „Norma Miller and her Jazzmen“, bei denen sowohl ihr langjähriger Partner Billy Ricker, als auch Chazz Young, der Sohn von Frankie Manning, mitwirkten. Norma lebte zu dieser Zeit in Las Vegas, wo sie mit Redd Foxx und Sammy Davies jr. auftrat. 1982 kehrte Norma nach New York zurück, „healthy, sexless, still single and broke“.

Frankie Manning wurde 1946 aus dem Militärdienst entlassen und startet zusammen mit Russell Williams, Ann Johnson und seiner alten Tanzpartnerin Willa Mae Ricker, der Schwester von Billy Ricker, die „Four Cangaroos“. Sie hatten u.a. einige Auftritte in Hollywoodfilmen („Killer Diller“), aber das Interesse an Lindy Hop Shows flaute ab. 1954 heiratete Frankie seine Freundin Gloria Holloway und nahm eine Stelle beim U.S Postal Service an.

Al Minns war zusammen mit Leon James in den 1960’ern als „Moke & Poke“ unterwegs. Beide traten zusammen mit Pepsi Bethel in dem Film „The Spirit Moves“ von Mura Dehn auf. Zumsammen mit Marshall Stearns, einem Musikhistoriker, traten sie in mehreren TV Shows auf. Sie waren auch eine der Quellen für Stearns‘ Buch „Jazz Dance“, heute ein Standardwerk.
Al& Leon waren bis in die 1950er Jahre auf Tournee. Leon James starb 1970.

Pepsi Bethel, der zusammen mit Al in Mura Dehn’s Film den „TrankyDoo“ vorführte, arbeitete als Off-Brodaway-Choreograph.

Mama Lou

In Harlem hielt Louise „Mama Lou“ Parks die Lindy Hop Fahne hoch. Angefangen hatte Mama Lou als Garderobenmädchen im Savoy Ballroom, avancierte aber bald zum Mitglied der „Savoy Lindy Hoppers“, nur um den langsamen Niedergang des einstigen „Home of Happy Feet“ erleben zu müssen. Nachdem sie von Charles Buchanan, dem Manager des Savoy, mit der Aufgabe betreut wurde, für den „Harvest Moon Ball“ eine Tanztruppe zusammenzustellen, begann Mama Lou mit der Ausbildung von neuen Tänzern die sie zu Lindy Hop Profis machte, die „Mama Lu’s Lindy Hop Dance CompaNew York“.

Als das Savoy 1958 geschlossen wurde, war sie es, die für die Lindy Hop Vorausscheidungen des „Harvest Moon Balls“, die bis dahin im Savoy ausgetragen wurden, eine neue Heimat fand. 1963 startete eine Tanztruppe von Mama Lou eine Tour in Schweden; weitere Städte in Europe waren Teil mehrerer weiterer Tourneen. Kontakt zu Wolfgang Steuer von der „World Rock ’n Roll Federation“ in Deutschland führte dazu, daß Steuer als Sponsor für die Gewinner des „Mama Lou’s Harvest Moon Ball“ einstieg. Das war bitter nötig, denn der offizielle „Harvest Moon Ball“ hatte zu diesem Zeitpunkt Lindy Hop aus seinem Programm gestrichen. Das britische Fernsehen wurde auf Mama Lou bei ihrer Tournee in Großbritannien aufmerksam und finanzierte 1981 eine ihrer Shows im Small’s Paradise Club.

Ein Jahr zuvor hatte Sandra Cameron, zusammen mit ihrem Mann Larry Schulz ihr Tanzstudio in New York eröffnet: The Sandra Cameron Dance Center(SCDC). Bei „Mama Lou’s Harvest Moon Ball“ 1981 trafen sie einen Tänzer, der sie durch seine scheinbar mühelose Grazie und durch seine innige Verbundenheit zur Musik beeindruckte: Al Minns. Schulz arrangierte eine Privatstunde mit ihm und brachte Al dazu, ab 1982 regelmäßig im SCDC zu unterrichten. Absolventen dieser Kurse gründeten 1985 die „New York Swing Dance Society“(NYSDS).

Mama Lou Parks tourte 1983 nach Großbritannien, wo ihre Auftritte zu Gründung der „Jivin Lindy Hoppers“ führten. 1986 stieß Ryan Francois zu den „Jivin‘ Lindy Hoppers“. Zusammen mit Terry Monaghan traf er in New York auf Pepsi Bethel und nahm bei ihm Unterricht. Später arbeitete Ryan zusammen mit Norma Miller und Frankie Manning an Projekten wie dem Film „Malcolm X“ von Spike Lee.

1984 trafen drei Tänzer aus Schweden in New York ein und wollten unbedingt bei Al Minns Lindy Hop Unterricht nehmen. Sie hatten sich die ersten Schritte selbst beigebracht, in dem sie sich aus dem Film „Hellzapoppin'“ die Tanzszene immer und immer wieder anschauten. Sie luden Al Minns nach Stockholm ein, wo er einen Lindy Hop Workshop leitete. Daraus entstanden die „Swedish Swing Society“, die „Rhythm Hot Shots“ und „Herräng Dance Camp“, das Wacken der Lindy Hop Szene.

Small’s Paradise

Im gleichen Jahr starteten im Small’s Paradise Club wieder Swing Dance Abende mit Live Bands; ein Treffpunkt für alle Veteranen des Savoy Ballrooms. Ein Jahr zuvor kamen zwei Tänzer aus Kalifornien nach New York: Erin Stevens und Steven Mitchell (der später eine traurige Berühmtheit in der Lindy Hop Szene erlangte), die auch bei Al Minns Kurse besuchten. Al erkrankte 1984 schwer (er starb ein Jahr später), doch Erin und Steven wurden an Frankie Manning verwiesen. Die beiden suchten und fanden Frankie Manning als Angestellten beim U.S Postal Service. Ihr erster Kontakt wird so wiedergegeben: „Sind Sie Frankie Manning, der Tänzer?“ – „Nein, ich bin Frank Manning, der Postbeamte“.
Sie konnten ihn trotzdem davon überzeugen, bei Sandra Cameron Kurse in Lindy Hop zu geben.

Bei ihrem zweiten Besuch in New York 1986 trafen Erin und Steven Frankie Manning bei einer Veranstaltung in „The Cat Club“, die von Terry Monaghan von den britischen Jivin‘ Lindy Hoppers ausgerichtet wurde. Mit dabei: Claudia Gintersdorfer, Norma Miller, Pepsi Bethel, Jonathan Bixby, Sylvia Sykes und Ryan Francois, der zu der Zeit mit den Jivin‘ Lindy Hoppers auf Tour war. Lennart Westerlund, Mitbegründer des Herräng Dance Camps, lud Frankie Manning im gleichen Jahr nach Schweden ein und Frankie Manning unterrichtete viele Jahre in Herräng zusammen mit Norma Miller, die er nur schwer davon überzeugen konnte, nach Schweden zu fahren. Norma Miller : “I said: ‘You’ve got to be kidding talking about some goddamned Lindy Hop in Sweden. Who the hell’s gonna come here?’”

Der Rest ist Geschichte.

All Minns starb am 24.April 1985 mit 65 Jahren in New York.
Mama Lou Parks starb am 23.September 1990 mit 61 Jahren in New York, nachdem sie kurz zuvor noch ihre Tanztruppe auf einem Kreuzfahrtschff vor der Küste Floridas begleitete. Frankie Manning starb am 27.April 2009, einen Monat vor seinem 95. Geburtstag. Die geplante Geburtstagsfeier wurde zu „Frankie95“, einer Würdigung seines Lebens, mit Teilnehmern aus 33 Ländern.
Norma Miller starb am 5.Mai 2019, sechs Monate vor ihrem 100. Geburtstag, den sie in Herräng feiern wollte.

Norma Miller and Frankie Manning leading the Shim Sham at the Cat Club in NYC 1988

Hier klicken für die Graphik in hoher Auflösung


Quellen:
https://authenticjazzdance.wordpress.com/2015/04/25/mama-lou-parks-by-terry-monaghan/

http://harlemlindyhopmusings.blogspot.com/2017/05/beginnings-uptown-harlem-and-downtown.html
https://www.New Yorktimes.com/2018/08/10/arts/dance/lindy-hop-herrang-norma-miller.html
https://www.jaminjackson.com/who-is-al-minns/
http://www.savoystyle.com/spirit_moves.html
https://www.New Yorktimes.com/1990/12/30/news/if-it-s-sunday-it-s-the-cat-club-swing-dancing-takes-over-again.html
https://www.thetrackpodcast.com/episodes/042
Swingin‘ at the Savoy – Norma Miller/Evette Jensen Amb
assador of Lindy Hop – Frankie Manning/Cynthia Millman
Swing Dancing – Tamara Stevens/Erin Stevens

Als die Musik in Flammen aufging

Es war ein gewöhnlicher Arbeitstag am 31. Mai 2008 im Gelände der Universal Studios in  Hollywood. Dachdecker hatten neue Bitumendecken auf die Dächer eines Sets aufgezogen, dazu verwendeten sie große Gasbrenner, mit denen sie die Asphaltbahnen aufheizten. Nach Arbeitsende wurde – wie üblich – eine Feuerwache eingeteilt; ein Teil der Arbeiter beaufsichtigte die neu gelegten Flächen. Nach einer Stunde war dann endgültig Feierabend.
Leider in dieser Nacht – zu früh.

Es brennt!

Gegen halb fünf des folgenden Morgens bemerkte ein Wachmann Flammen, die aus dem Dach eines der Gebäude loderten. Es gehörte zu dem Set „New England Street“, welches für Filme wie „Spider Man“ und viele TV-Sets verwendet wurde. Schnell sprang das Feuer auf weitere Bauten über, wie das Rathaus aus „Back to the Future“. Dann erreichte es das „King-Kong Encounter“, ein Fahrvergnügen des Universal Studio Parks. 
Neben „King-Kong“ lag ein  unscheinbares Lagerhaus, „Building 6197“. Es war bekannt als das „Video Archiv“, aber ein Drittel der Fläche wurden von United Music Group(UMG) benutzt – als Musikarchiv.

Gegen 5:45 stand das gesamte Gebäude in Flammen.

Um ein Übergreifen auf weitere Bereiche zu vermeiden, begann die Feuerwehr damit, Teile der brennenden Bauten einzureißen und Brandschneisen zu schaffen – auch in das Archiv der UMG. In den frühen Morgenstunden des 2. Juni – fast 24 Stunden nach  Ausbruch des Brandes – erklärte die Feuerwehr den Brand für gelöscht. Keiner beachtete den Schaden, den das Feuer bei UMG angerichtet hatte. Verständlich: Keiner wußte, was hier lagerte. 

Nach vielen Übernahmen und Fusionen war es auch schwierig, den Überblick zu behalten: Universal Studios mit Univeral Media wurde von General Electric übernommen und fusionierte mit GE Televsion, um dann mit NBC zu NBC-Universal zu verschmelzen. UMG wurde ausgelagert und an Vivendi verkauft. 

2008 war UMG nur noch ein Untermieter bei NBC-Universal. Das Musikarchiv von UMG verteilte sich zu der Zeit über mehrere Standorte, über die gesamten USA verstreut, Building 6197 war aber das größte der Archive, und hier wurden die wichtigsten Bestände gelagert. 

Zu den Plattenlabels, die UMG im Laufe der Zeit übernahm, gehörten u.a.: 

  • Decca Records, seit den 1930ern auf dem Markt mit Louis Armstrong, Bing Crosby, Ella Fitzgerald, Duke Ellington und Billie Holiday 
  • ABC Records, gegründet 1955, gehörte zusammen mit Impulse zur Am-Par Record Company
  • Impulse Records, ein bekanntes Jazz Label, mit Ray Charles, John Coltrane und Pearl Bailey
  • Chess Records, spezialisiert auf Blues und R’n B, mit Muddy Waters und Chuck Berry
  • A&M Records, gegründet 1962 von Herb Alpert. Sie hatten Cat Stevens, The Carpenters, Quincy Jones und Carole King  unter Vertrag.
  • MCA Records, mit vielen Pop-Gruppen der 1970er wie Wishbone Ash, Mick Greenwood oder Hot Chocolate 
  • Geffen Records, gegründet 1975,  mit Künstlern wie Aerosmith, Cher, Peter Gabriel, Elton John

Ein Großteil der Master Tapes dieser Labels – teilweise der gesamte Bestand – wurde bei diesem Brand vernichtet. UMG selbst geht von 120.000 Bändern aus, der tatsächliche Schaden liegt laut New York Times wahrscheinlich eher bei 175.000 – mit geschätzten 500.000 Songs.

Up in Smoke…

Eine – unvollständige – Liste der Künstler, deren Werke im Feuer verloren gingen:

Ella Fitzgerald
Louis Armstrong 
Duke Ellington 
Billie Holiday 
Count Basie  
Benny Goodman
Big Mama Thornton
Bill Haley and His Comets
John Coltrane
Dizzy Gillespie
Muddy Waters  
Bo Diddley 
John Lee Hooker 
Willie Dixon
Chuck Berry – alle Mehrspur Studioaufnahmen
Aretha Franklin
Buddy Holly – wohl alle Master Tapes
Ray Charles
The Carpenters
Elton John
Nirvana
Joni Mitchell
Peter Frampton
R.E.M
Bryan Adams
Tom Petty
Les Paul
Aerosmith
Sheryl Crow

Die New York Times bezeichnete den Brand als

„…the biggest disaster in the history of the music business“

Quellen:

https://en.wikipedia.org/wiki/2008_Universal_Studios_fire
https://www.latimes.com/entertainment/music/la-et-ms-universal-hollywood-fire-master-recordings-20190611-story.html
https://www.digitalmusicnews.com/2019/06/12/artists-masters-lost-2008-universal-studios-fire/
https://wror.com/2019/06/26/umg-fire-artist-list/
https://www.nbcnews.com/pop-culture/music/what-did-we-lose-universal-music-fire-blazed-through-archives-n1025556

Nixon and the Duke

Was hat Richard Nixon mit Duke Ellington zu tun?

Richard M. Nixon, Präsident der Vereinigten Staaten von 1969 bis 1974, ist vor allem durch die Watergate-Affäre bekannt geworden, die schlussendlich zu seinem Rücktritt führte. Aber Nixon war auch ein bekennender Musikliebhaber und spielte selbst Klavier. In seinen Memoiren schrieb er: „Klavierspielen als Möglichkeit, sich verständlich zu machen, ist vielleicht sogar erfüllender als Schreiben oder Sprechen…Ich denke, großartige Musik zu schaffen, ist eines der höchsten Ziele, die sich der Mensch stellen kann.“

Nixon würdigte diese Form des Ausdrucks dadurch, dass er am 29. April 1969 die „Presidential Medal of Freedom“, die höchste zivile Auszeichnung der USA, an Duke Ellington verlieh – an dessen 70. Geburtstag.

Nach dem Staatsdiner und der feierlichen Verleihung im East Room des Weißen Hauses stimmten die anwesenden Gäste gemeinsam ein „Happy Birthday“ an – mit dem Präsidenten am Klavier.

Der Abend endete mit einer Jam-Session der Crème de la Crème des Jazz: Dizzy Gillespie, Benny Goodman und Earl Hines, die Saxophonisten Paul Desmond und Gerry Mulligan, der Trompeter Clark Terry und Louis Bellson am Schlagzeug.

Auszug aus: www.whitehousehistory.org/a-duke-at-the-white-house

International Jazz Day

Am 30. April ist International Jazz Day!

Der International Jazz Day wurde 2011 durch die UNESCO ausgerufen, auf Initiative des Jazz-Pianisten und Komponisten Herbie Hancock. Jedes Jahr ist eine andere Stadt Weltpate für den IJD, 2019 war es das russische St.Petersburg.

Für 2020 war ursprünglich Kapstadt als Patenstadt vorgesehen. Durch die laufende Corona-Pandemie wurden allerdings die Feierlichkeiten ins Internet verschoben. Höhepunkt wird ein virtuelles Konzert mit Musikern aus der ganzen Welt sein, das man live auf der Homepage jazzday.com miterleben kann. Daneben gibt es zahlreiche Konzerte, Workshops und Diskussionsrunden zu verschiedenen Themen und in verschiedenen Sprachen, ebenfalls frei verfügbar über jazzday.com.

In Deutschland waren u.a. ein Konzert von Victoria Pohl (https://gostner.de/stueck/vicky-pohl-friends) in Nürnberg oder der Jazzkombüse in Schwerin geplant. In den USA war in Inglewood eine große Jam Seesion zu Ehren von Duke Ellington angekündet, der am 29.April 121 Jahre geworden wäre. Leider ist aufgrund der aktuellen Situation nicht klar, welche Events tatsächlich stattfinden können.

Bleibt nur, das virtuelle Konzert auf jazzday.com anzuschauen und virtuell mitzufeiern.