Archiv für den Monat: Oktober 2020

„Hey Mr. Jesse“ – Podcast

Für alle Jazz- und Swingmusikfans da draußen: DAS ist euer Podcast.
Jesse Miner mit seinem Co-Host Manu Smith tauchen jeden Monat aufs Neue in die Musikwelt ein, die jedes Swingtänzerherz höher schlagen lässt.

Die beiden sind nun schon seit vielen Jahren eine Institution, wenn es darum geht, die Swingmusikszene genauer unter die Lupe zu nehmen. Seien es die Größen der Swing-Ära oder (was ich persönlich sehr spannend finde) aktuelle, junge Bands, die gerade neue, zeitgenössische Swingmusik machen, auf die man sonst nur schwer aufmerksam wird.

Dieser Podcast ist somit auch eine unerschöpfliche Quelle für Swing-DJs, welche ihren musikalischen Horizont erweitern oder ihre Kollektion um neue oder noch nicht so „ausgelutschte“ Musik bereichern und den Tänzern damit ein Lächeln aufs Gesicht zaubern möchten.

In jeder Folge gibt es auch Musik-Tipps von Zuhörern des Podcasts aus der ganzen Welt – auch hier sind echte Perlen dabei. Also falls auch ihr einen Musik-Tipp für die beiden habt: Schreibt ihnen eine Mail. Vielleicht schafft es das kleine Karlsruhe auch mal in eine Sendung der beiden 🙂

Hier die Adresse der Webseite: http://www.yehoodi.com/media/hey-mister-jesse

Der Podcast ist auch über jeden gängigen Podcatcher oder auch Spotify verfügbar.

Die dunklen Jahre des Lindy Hop

„It’s the End Of The World As we Know it“

Als die Tänzer und Musiker aus den Tanzsälen von Harlem und anderswo nach Ende des zweiten Weltkrieges aus ihren unterschiedlichen Einsatzgebieten in die USA zurückkehrten fanden sie eine andere Welt vor. Auch die Musik hatte sich verändert.

Bigbands mussten sich aufgrund fehlender Engagements und wegen des eklatanten Mangels an Musikern auflösen. Die, die zuhause geblieben waren, trafen sich nach ihren Gigs in kleinen Kneipen und spielten sich ihren Frust von den Seele: schnell und hart. Musik, nicht zum Tanzen, sondern zum zuhören. Nicht für Tänzer, sondern von Musikern für Musiker. Von der Öffentlichkeit unbemerkt, weil die vier großen Plattenlabels seit 1942 durch die Musikergewerkschaft bestreikt wurden („recording ban“), entwickelte sich eine neue Richtung im Jazz: der Bebop war geboren.

Die Tänzer aus dem „Savoy“, dem „Apollo“ oder „Renaissance“ hatten sich in alle Winde zerstreut.

Norma Miller, die 1932 mit 12 Jahren zum ersten Mal im Savoy Ballroom tanzen durfte, ist 10 Jahre später bei den Whitey’s Lindy Hoppers aufgenommen worden, allerdings wurde die Truppe kurz darauf aufgelöst. Norma begann als Produzentin für Small’s Paradise zu arbeiten, ein Nachtclub in Harlem. Sie gründete u.a. die „Norma Miller and her Jazzmen“, bei denen sowohl ihr langjähriger Partner Billy Ricker, als auch Chazz Young, der Sohn von Frankie Manning, mitwirkten. Norma lebte zu dieser Zeit in Las Vegas, wo sie mit Redd Foxx und Sammy Davies jr. auftrat. 1982 kehrte Norma nach New York zurück, „healthy, sexless, still single and broke“.

Frankie Manning wurde 1946 aus dem Militärdienst entlassen und startet zusammen mit Russell Williams, Ann Johnson und seiner alten Tanzpartnerin Willa Mae Ricker, der Schwester von Billy Ricker, die „Four Cangaroos“. Sie hatten u.a. einige Auftritte in Hollywoodfilmen („Killer Diller“), aber das Interesse an Lindy Hop Shows flaute ab. 1954 heiratete Frankie seine Freundin Gloria Holloway und nahm eine Stelle beim U.S Postal Service an.

Al Minns war zusammen mit Leon James in den 1960’ern als „Moke & Poke“ unterwegs. Beide traten zusammen mit Pepsi Bethel in dem Film „The Spirit Moves“ von Mura Dehn auf. Zumsammen mit Marshall Stearns, einem Musikhistoriker, traten sie in mehreren TV Shows auf. Sie waren auch eine der Quellen für Stearns‘ Buch „Jazz Dance“, heute ein Standardwerk.
Al& Leon waren bis in die 1950er Jahre auf Tournee. Leon James starb 1970.

Pepsi Bethel, der zusammen mit Al in Mura Dehn’s Film den „TrankyDoo“ vorführte, arbeitete als Off-Brodaway-Choreograph.

Mama Lou

In Harlem hielt Louise „Mama Lou“ Parks die Lindy Hop Fahne hoch. Angefangen hatte Mama Lou als Garderobenmädchen im Savoy Ballroom, avancierte aber bald zum Mitglied der „Savoy Lindy Hoppers“, nur um den langsamen Niedergang des einstigen „Home of Happy Feet“ erleben zu müssen. Nachdem sie von Charles Buchanan, dem Manager des Savoy, mit der Aufgabe betreut wurde, für den „Harvest Moon Ball“ eine Tanztruppe zusammenzustellen, begann Mama Lou mit der Ausbildung von neuen Tänzern die sie zu Lindy Hop Profis machte, die „Mama Lu’s Lindy Hop Dance CompaNew York“.

Als das Savoy 1958 geschlossen wurde, war sie es, die für die Lindy Hop Vorausscheidungen des „Harvest Moon Balls“, die bis dahin im Savoy ausgetragen wurden, eine neue Heimat fand. 1963 startete eine Tanztruppe von Mama Lou eine Tour in Schweden; weitere Städte in Europe waren Teil mehrerer weiterer Tourneen. Kontakt zu Wolfgang Steuer von der „World Rock ’n Roll Federation“ in Deutschland führte dazu, daß Steuer als Sponsor für die Gewinner des „Mama Lou’s Harvest Moon Ball“ einstieg. Das war bitter nötig, denn der offizielle „Harvest Moon Ball“ hatte zu diesem Zeitpunkt Lindy Hop aus seinem Programm gestrichen. Das britische Fernsehen wurde auf Mama Lou bei ihrer Tournee in Großbritannien aufmerksam und finanzierte 1981 eine ihrer Shows im Small’s Paradise Club.

Ein Jahr zuvor hatte Sandra Cameron, zusammen mit ihrem Mann Larry Schulz ihr Tanzstudio in New York eröffnet: The Sandra Cameron Dance Center(SCDC). Bei „Mama Lou’s Harvest Moon Ball“ 1981 trafen sie einen Tänzer, der sie durch seine scheinbar mühelose Grazie und durch seine innige Verbundenheit zur Musik beeindruckte: Al Minns. Schulz arrangierte eine Privatstunde mit ihm und brachte Al dazu, ab 1982 regelmäßig im SCDC zu unterrichten. Absolventen dieser Kurse gründeten 1985 die „New York Swing Dance Society“(NYSDS).

Mama Lou Parks tourte 1983 nach Großbritannien, wo ihre Auftritte zu Gründung der „Jivin Lindy Hoppers“ führten. 1986 stieß Ryan Francois zu den „Jivin‘ Lindy Hoppers“. Zusammen mit Terry Monaghan traf er in New York auf Pepsi Bethel und nahm bei ihm Unterricht. Später arbeitete Ryan zusammen mit Norma Miller und Frankie Manning an Projekten wie dem Film „Malcolm X“ von Spike Lee.

1984 trafen drei Tänzer aus Schweden in New York ein und wollten unbedingt bei Al Minns Lindy Hop Unterricht nehmen. Sie hatten sich die ersten Schritte selbst beigebracht, in dem sie sich aus dem Film „Hellzapoppin'“ die Tanzszene immer und immer wieder anschauten. Sie luden Al Minns nach Stockholm ein, wo er einen Lindy Hop Workshop leitete. Daraus entstanden die „Swedish Swing Society“, die „Rhythm Hot Shots“ und „Herräng Dance Camp“, das Wacken der Lindy Hop Szene.

Small’s Paradise

Im gleichen Jahr starteten im Small’s Paradise Club wieder Swing Dance Abende mit Live Bands; ein Treffpunkt für alle Veteranen des Savoy Ballrooms. Ein Jahr zuvor kamen zwei Tänzer aus Kalifornien nach New York: Erin Stevens und Steven Mitchell (der später eine traurige Berühmtheit in der Lindy Hop Szene erlangte), die auch bei Al Minns Kurse besuchten. Al erkrankte 1984 schwer (er starb ein Jahr später), doch Erin und Steven wurden an Frankie Manning verwiesen. Die beiden suchten und fanden Frankie Manning als Angestellten beim U.S Postal Service. Ihr erster Kontakt wird so wiedergegeben: „Sind Sie Frankie Manning, der Tänzer?“ – „Nein, ich bin Frank Manning, der Postbeamte“.
Sie konnten ihn trotzdem davon überzeugen, bei Sandra Cameron Kurse in Lindy Hop zu geben.

Bei ihrem zweiten Besuch in New York 1986 trafen Erin und Steven Frankie Manning bei einer Veranstaltung in „The Cat Club“, die von Terry Monaghan von den britischen Jivin‘ Lindy Hoppers ausgerichtet wurde. Mit dabei: Claudia Gintersdorfer, Norma Miller, Pepsi Bethel, Jonathan Bixby, Sylvia Sykes und Ryan Francois, der zu der Zeit mit den Jivin‘ Lindy Hoppers auf Tour war. Lennart Westerlund, Mitbegründer des Herräng Dance Camps, lud Frankie Manning im gleichen Jahr nach Schweden ein und Frankie Manning unterrichtete viele Jahre in Herräng zusammen mit Norma Miller, die er nur schwer davon überzeugen konnte, nach Schweden zu fahren. Norma Miller : “I said: ‘You’ve got to be kidding talking about some goddamned Lindy Hop in Sweden. Who the hell’s gonna come here?’”

Der Rest ist Geschichte.

All Minns starb am 24.April 1985 mit 65 Jahren in New York.
Mama Lou Parks starb am 23.September 1990 mit 61 Jahren in New York, nachdem sie kurz zuvor noch ihre Tanztruppe auf einem Kreuzfahrtschff vor der Küste Floridas begleitete. Frankie Manning starb am 27.April 2009, einen Monat vor seinem 95. Geburtstag. Die geplante Geburtstagsfeier wurde zu „Frankie95“, einer Würdigung seines Lebens, mit Teilnehmern aus 33 Ländern.
Norma Miller starb am 5.Mai 2019, sechs Monate vor ihrem 100. Geburtstag, den sie in Herräng feiern wollte.

Norma Miller and Frankie Manning leading the Shim Sham at the Cat Club in NYC 1988

Hier klicken für die Graphik in hoher Auflösung


Quellen:
https://authenticjazzdance.wordpress.com/2015/04/25/mama-lou-parks-by-terry-monaghan/

http://harlemlindyhopmusings.blogspot.com/2017/05/beginnings-uptown-harlem-and-downtown.html
https://www.New Yorktimes.com/2018/08/10/arts/dance/lindy-hop-herrang-norma-miller.html
https://www.jaminjackson.com/who-is-al-minns/
http://www.savoystyle.com/spirit_moves.html
https://www.New Yorktimes.com/1990/12/30/news/if-it-s-sunday-it-s-the-cat-club-swing-dancing-takes-over-again.html
https://www.thetrackpodcast.com/episodes/042
Swingin‘ at the Savoy – Norma Miller/Evette Jensen Amb
assador of Lindy Hop – Frankie Manning/Cynthia Millman
Swing Dancing – Tamara Stevens/Erin Stevens